Kapitel 4: Wichtige Botschaft

Kapitel 4: Wichtige Botschaft

Wie der Fenriswolf, kam die Dunkelheit der Nacht über die hügelige Landschaft gekrochen und verdrängte das Tageslicht im Osten des Landes. Wie ein schwerer Mantel aus dichtgewebtem Stoff legte sie sich schweigend über das Kloster, hoch oben auf dem Michaelsberg. Jeder versuch die Finsternis aus den verwinkelten Gebäuden zu verbannen, war schwer und teilweise sogar unmöglich. Abend für Abend trotzen die Bewohner des heiligen Klosters der Dunkelheit, indem sie Kerzen aufstellten oder Fackeln entzündeten. Somit waren die Gebäude mit gesegnetem Licht erhellt. Die Mönche glaubten fest daran, durch das Licht, die geheimnisvollen Schatten der Nacht, innerhalb ihrer Mauern fernzuhalten. Sie fühlten sich dadurch sicherer, wenn gleich das ungute Gefühl und die Furcht niemals richtig weichen wollte.

Im Lichtkegel seiner Kienfackel ging der schweigende Benediktinermönch den schmucklosen schmalen Gang zum Klosterhof hinüber. Die dunkle Kapuze seiner braunen Kukulle hatte er tief in sein Gesicht gezogen, die somit ein wenig Schutz gegen die aufkommende Kälte bot. Das faltenreiche, bodenlange Übergewand, mit seinen weiten Ärmeln flog durch die zügigen Bewegungen des Mannes hin und her und warf durch den Feuerschein bizarre Abbildungen an die Wand. Auf seinem Weg entflammte er die zahlreichen Feuerstellen an der Wand, um die dunklen Gänge zu erhellen. So entstand ein Weg des Lichtes und der Wärme, die die Mauern des Ehrwürdigen Michaelsklosters erhellten. Einige seiner Glaubensbrüder waren gerade auf dem Weg zur Vesper, dem Abendgottesdienst und erfreuten sich an der Helligkeit.

Nachdem er den Klosterhof einmal mit Licht erschlossen hatte, blieb er schließlich vor der letzten der vielen Zimmertüren stehen. Ein kleiner Windstoß hatte das Feuer seiner Fackel beinahe zum erloschen gebracht. Im letzten Moment keimte die Flamme wieder auf und bestrahlte sein faltenreiches Gesicht mit angenehmer wärme. Mit leicht zitternder Hand, hängte er die brennende Fackel in die dafür vorgesehene Eisenhalterung an der Wand, direkt neben dem Eingang. Dann klopfte er demütig an die Tür. Einen Augenblick verharrte er vor der Pforte und wartete darauf, dass man ihm Einlass gewährte. Schließlich wurde die Tür knarrend von innen geöffnet und ein ebenfalls alter, grauhaariger Mönch steckte seinen kleinen Kopf mit einem finsteren Blick durch den schmalen Spalt, um kurz darauf ohne ein Wort zu sagen, wieder zu verschwinden. Es war der Mediziner, welcher ihm die Türe öffnete. Seine Augen waren alt und trüb und man musste sich schon wundern, dass der alte überhaupt noch etwas sehen konnte. Die Pforte blieb einen Spalt offen und der Neuankömmling trat schweigend in das kleine Zimmer des Mediziners.

Nachdem er eingetreten war schloss er die Tür hinter sich wieder zu. Im inneren des Privaten Krankenzimmers war es so dunkel, dass er sich anfangs konzentrieren musste, wohin er seine Füße stellte, um nicht irgendwo gegen zu stoßen. Nur eine Fackel an der Wand und zwei Brennnäpfe, die auf einem kleinen Holztisch, direkt vor dem schmalen Fenster standen, erhellte den Raum spärlich. Durch das kleine Fenster drang wenig Frischluft in das Innere, was den Raum nicht so stickig machte. Es roch zudem nach medizinischen Ölen, wie Minze und Salbei. Direkt neben dem Tisch befand sich ein schmales Bett, auf dem ein weitere älterer Mann lag und zu schlafe schien. Dieser hatte im Gegensatz zu den beiden Glaubensbrüdern ein weißes Leinengewand an. Seine Hände waren auf dem Bauch gefaltet. Ein dünnes Tuch, mit dem der alte Mann zugedeckt war, sollte ihn vor der kommenden Kälte schützen. In seinem runden Gesicht trug er einen langen grauen Bart und sein Kopf war in ein dickes Kissen gebettet. Der alte Mediziner schlürfte leicht humpelnd zum Tisch hinüber und setzte sich langsam auf einen der beiden wackligen Stühle. Dabei stöhnte er laut auf und bekundete somit, dass seine Knoche müde waren und leicht schmerzten.

Wie geht es Barholmes?“, fragte der Botschafter, während er den Blick von Bartholmes abwand und zu dem mittlerweile sitzenden Mönch hinübersah. Dieser blickte zu ihm auf und zögerte ein wenig mit der Antwort. Währenddessen setzte sich der Besucher, dessen Aufgabe darin bestand, die wichtige Nachricht an die Verbündeten zu senden, auf den verbleibenden Stuhl, auf die andere Seite des Tisches. Dabei ließ er seine Gegenüber nicht aus den Augen.

„Ein wenig besser möchte ich meinen. Die Kräuter scheinen ihm zu helfen. Dennoch ist sein Gesundheitszustand kritisch.“, betonte der Mediziner mit ernster Miene. Seine Stimme klang ein wenig verzweifelt und heißer. Der Botschafter schaute zum Bischof hinüber und kräuselte die Stirn.

„Hat er den Brief unterzeichnet?“, fragte er.

Ja!“, bekam er die direkte Antwort auf seine Frage.

„Wir brauchen Schutz vor den Gefahren, welcher sich außerhalb unserer Mauern befinden.“, sagte der Botschafter leise. Der grauhaarige Mönch nickte dem alten bewusst zu. Dann nahm dieser ein Stück Papier in die Hand, welches unmittelbar vor ihm lag. Mit seinen knochigen Fingern faltete der Mediziner es mehrmals zusammen, bis es so klein war, dass es nicht länger und breiter war, als sein kleiner Finger. Dann packte er den Zettel in ein kleines Ledersäckchen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen überreichte der Mediziner dem Botschafter das beschriebene Stück Papier und pflichtet ihm erneute stumm bei. Der Besucher bedankte sich ebenfalls schweigend mit einem nicken.

„Gebt gut auf ihn acht. Macht ihn schnell wieder gesund“, flehte er der Mediziner an. Dieser blickte aus seinen trüben Augen auf Bartholmes und meintet schließlich:

„Gott wird mir die Kraft geben.“, betonte er.

Ein letztes Mal schaute der Besucher auf den schlafenden Bischof, dann nickte er dem Mediziner zu und verließ das Zimmer wieder. Nichts als Stille blieb in dem Raum zurück. Draußen angekommen, wehte ihm eine kleine Windböe um die Nase. Dann griff er wieder nach seiner Leuchtfackel und ging auf den Klosterplatz hinaus. Noch war genügend Licht vorhanden um zu erkennen, dass ein weiterer Glaubensbruder dort im Schneeregen auf ihn wartete.

Der Mönch wirkte ein wenig ungeduldig und schaute dann beunruhigt in den Himmel. Er hatte einen Falken bei sich, dessen Ungeduld ebenso zu Ende schien, wie die des Glaubensbruders. Immer wieder schlug das Tier mit den Flügeln und versuchte in die Lüfte aufzusteigen, doch der Mann lies das schmale Band, was ihn und das Tier zusammen hielt nicht los. Noch nicht. Die Krallen des Tieres umfassten den Lederschutz am Arm des Benediktiners und hielten sich sicher daran fest. Nach nur ein paar Schritten hatte der Botschafter ihn erreicht übergab ihm das Feuer wie einstudiert, so dass er den Zettel an der Kralle des Vogels mit Hilfe eins kleinen Säckchens befestigen konnte.

Neugierig blickte das Tier ihn an und wartete, bis der Zettel so befestigt war, dass der Vogel ihn im Flug nicht mehr verlieren konnte. Zärtlich streichelte der Botschafter ihm über das Gefieder, dann trennte er das Band, welches den Falken mit dem wartenden Mönch verband. Ohne zu zögern hob dieser den Arm und gab dem Tier das Signal auf welches es gewartet hatte.

„Überbringt die Nachricht an Christoph“, sagte der Botschafter.

Das Tier verstand sofort. Flatterte schleunig mit den Flügeln und erhob sich kreischend in die Lüfte. Die beiden Mönche schauten dem Vogel zufrieden nach und sahen wie sich der Königliche Falke in den Abendhimmel erhob und langsam Richtung Nordwesten flog. Nach wenigen Minuten war er schon außer Sichtweite. Zufrieden schauten die beiden Männer ihm nach. Die Botschaft war übermittelt worden.

„Ich hoffe die Nachricht kommt zügig an.“, meinte der Botschafter. Übernahm das Licht wieder und beiden schritten von dannen. Es war Zeit für die Vesper.